Nachdem wir immer wieder von Anfängern und Neugierigen gefragt werden was denn so alles für den Anfang gebraucht wird will ich hier mal etwas aus dem Nähkästchen plaudern und generelle Empfehlungen abgeben.
Ich werde hier bewusst nicht in die Tiefe gehen, was alles mit den dazugehörigen Vor- und Nachteilen möglich ist sondern es geht mir hier gezielt um einfache und pragmatische Ansätze um schnell einen günstigen und funktionierenden Einstieg zu ermöglichen.
Sicherheitswerkzeug
Es wird gerne vergessen wenn man mit dem Fesseln beginnt, dass es nicht unbedingt immer nur um Seile geht sondern wir das ganze mit einem Partner zusammen erleben und das auch gerne öfters machen. Am besten ist es wenn dabei die Partner wiederverwendbar sind, das erleichtert es zusammen miteinander zu lernen und an Herausforderungen zu wachsen.
Auch wenn ich selbst jetzt schon einige Jahre Zeit mit dem Seil verbracht habe und mich definitiv nicht mehr zu den Anfängern zähle habe ich selbst dann, wenn ich mit Partnern knote, die ich schon Jahre kenne immer ein geeignetes Sicherheitswerkzeug dabei. Dieses liegt nicht im Auto oder im Schrank sondern ist immer in Griffweite.
Es geht hier nicht unbedingt immer darum, dass man selbst einen Fehler macht oder ein Unfall passiert. Es genügt ein außer Kontrolle geratener Fettbrand in der Wohnung unter einem, bei dem ich nur ungern zehn Minuten weniger Zeit hätte während ich die Fesselung lösen muss.
Empfehlenswert für diese Anwendung ist das FX-640 OD FOX RESCUE EMERGENCY TOOL von Fox Knives. Oftmals findet man es hier in deutschen Shops unter dem Namen Herbertz Gurtschneider.
Eigentlich als Tauchermesser entwickelt um das Hängenbleiben in Netzen und Algen zu verhindern ist es perfekt für das Durchtrennen von Seilen nahe am Körper geeignet. Die Klinge ist aus Edelstahl und es kann mit dem Gürtelclip praktischerweise direkt getragen werden.
Ich selbst verwende es seit einigen Jahren und möchte es nicht mehr missen. Es hat mir schon einige treue Dienste erwiesen und dabei in so manch Notsituation Schlimmeres verhindert. Mit der Sägezahnung kann man die Seile kontrolliert durchtrennen und erzeugt so keinen plötzlichen Ruck.
In diversen Onlineshops ist es zwischen 10€ und 20€ in den Farben rot und schwarz erhältlich.
Seile
Es gibt so viele unterschiedliche perfekte Seile wie es Personen gibt, die mit ihnen fesseln und gerade am Anfang wird man schnell von den unzähligen Möglichkeiten erschlagen.
Empfehlenswert sind geflochtene Seile aus Hanf oder Baumwolle in 6mm. Geflochten aus dem Grund, dass ein geflochtenes Seil sich entgegen einem gedrehtem Seil weniger leicht verdrillt und in sich stabiler ist. Bei gedrehten Seilen entstehen durch Fehlbehandlungen schnell Macken im Seil. Mit einer 100m Rolle macht man erstmal nichts verkehrt, im Regalfall bleibt es sobald einen das Seilfieber gepackt hat auch nicht dabei.
Auch wenn gerade beim Shibari oder Kinbaku meist mit Längen um die 8m gearbeitet wird empfielt es sich für den Anfang 4x5m und 4x10m abzuschneiden und den Rest auf der Spule zu lassen. Die 5m Seile eignen sich super für kleinere Fesselungen wie den Single- oder Double-Column Tie ohne unnötig viel Rest umherziehen zu müssen und die 10m sind für den Anfang besser etwas zu lang dimensioniert bis man die Feinheiten der korrekten Spannung im Gefühl hat. Sobald man dann etwas Erfahrung hat fällt es leichter die Seile, die zu lang sind, zu kürzen und sich von der Rolle das abzuschneiden was man noch benötigt.
Eine große Nachbearbeitung der geflochtenen Seile ist nicht notwendig, diese müssen lediglich auf die benötigten Längen zugeschnitten, die Enden versäubert (etwas Gewebeklebeband oder ein Knoten reichen aus) und zum Schluss im Pflegeleicht Waschprogramm (um sich den Gordischen Knoten zu ersparen kann man jedes Seil einzeln in einen Wäschesack packen) ohne Weichspüler gewaschen werden. Wer es gerne bunt hat kann die Seile auch noch einfärben.
Sogenannte “Bondageseile” aus dem Sexshop sind eher nicht empfehlenswert. Zum einen sind diese überteuert und zum anderen meistens so weich, dass Knoten sich schnell so stark zuziehen, dass diese nur noch mit einer Zange zu lösen sind. Die richtige Technik hat einen viel größeren Einfluss auf den Komfort einer Fesselung als das Seil alleine.
Anleitungen
Man hat das kunstvolle Fesseln gerade entdeckt, hat sich die Seile und ein Sicherheitswerkzeug besorgt, der Partner wartet schon sehnsüchtig darauf verschnürt zu werden und dann kommt die ernüchternde Erkenntnis: Wo fange ich an und wie macht man die Knoten überhaupt? Wir standen alle irgendwann mal an dem Punkt dass wir zum ersten mal Knoten wollten und nicht wussten wohin aber da muss es doch sicherlich irgendwelche Anleitungen oder Bücher geben.
Und die gibt es tatsächlich, sogar einige sehr gute, die aber alle das gleiche Problem haben. An ein Buch kann ich keine Fragen stellen und es schaut mir nicht über die Schulter wenn ich etwas tue. Auch ist es ungemein schwer sowohl sehr komplexe sowie emotionale oder rhythmische Sachverhalte darzustellen sodass sie leicht verständlich und eindeuteig sind.
Die besten Fortschritte bei Anfängern habe ich dann beobachten können wenn diese Fesseltreffen besucht, am Workshop teilgenommen haben und danach weiterin neugierig geblieben sind und mithilfe anderer Teilnehmer neue Dinge lernen konnten. Im Regelfall ist es kein Problem auch ohne Vorkenntnisse an solchen Treffen teilzunehmen (eine Liste der in Deutschland stattfindenden Fesseltreffs findet man hier) und einfach mal ein paar Fragen zu stellen. Gerade die Organisatoren sind meist nach einer netten Bitte schnell bereit sich auch etwas vor dem offiziellen Beginn mit einem zu treffen und schonmal grundlegendes zu klären.
Wer trotzdem schonmal inhaltlich in das große Thema Shibari reinschnuppen möchte kann sich die Bücher der Shibaku (de/en) Serie, von Douglas Kent (en) oder Shin Nawakiri (en) holen und etwas schmökern. Als “Reisebegleiter” und Nachschlagewerk eignet sich Shibaku besonders gut. An Videos findet man sehr gute Anleitungen von MiShibari (de) und Twisted Monk (en).
Unterlage
Gerade für die Fesseltreffen empfielt es sich eine Fesselunterlage mitzunehmen, da man so aus hygienischen Gründen immer seinen eigenen Untergrund hat, auf dem Schweiß landet und die Seile Fusseln hinterlassen. Außerdem entsteht so noch eine zusätzliche Schicht zwischen dem Boden und dem Gesicht das Partners, je nach Lokalität gibt es diverse Orte, an denen ich nur ungern meine Nase über den Fußboden ziehen möchte.
Wenn an dem Fesseltreff Matten vorhanden sind reicht es eine einfache Decke, empfehlenswert ist hier eine Mindestgröße von 1,5 x 1,5m, mitzunehmen. Sollten keine Matten gestellt werden genügt zusätzlich eine Iso- oder Yogamatte. Wer dann merkt, dass der Platz ausgeht kann sich Puzzlematten aus EVA Schaumstoff in 60 x 60cm holen und so flexibel die Fläche schaffen, die man gerne hätte.
Fazit
Man braucht gar nicht viel um in die Welt des Fesselns einzutauchen und vieles kommt mit der Zeit und Entwicklung der eigenen Fähigkeiten. Mit ungefähr 80€ kommt man schon sehr weit und hat noch einiges an Reserveseil auf der Rolle wenn das Seilfieber steigt.
Viel Spaß beim Entdecken,
euer lor