KategorieGrundlagen
VorraussetzungTUT-BASE-Stopp
MaterialKeins
ZielsetzungMit dieser Übung wird das Zusammenspiel zwischen Aktivem und Passivem geübt.
FähigkeitenKommunikation, Emotion, Rhythmus, Tempo

I. Hintergrund

Gerade wenn man Menschen kennenlernt oder mit dem Fesseln beginnt, gibt es viele neue Dinge zu lernen. Die Flut an Information und Aussicht auf neue spannende Fähigkeiten und Erfahrungen kann überwältigend sein.

Aus diesem Grund soll mit dieser Übung der Fokus bewusst auf die kleinen zwischenmenschlichen Signale, das harmonische Miteinander und die nonverbale Kommunikation gelegt werden, welche Schritt für Schritt erarbeitet werden können.

Die Übung ist bewusst sehr niederschwellig gehalten, weswegen auf den Einsatz von Seil verzichtet wird. Ein Abbruch soll nicht aktiv herbeigeführt werden müssen, sondern ganz natürlich geschehen, sobald bei einem Teilnehmer das Gefühl aufkommt, dass etwas sich nicht ganz richtig anfühlt. Obwohl implizierter Konsens ein sehr komplexes Thema ist, kann dieser in einer isolierten Umgebung erfahren und verstanden werden.

Es kommt hier bereits zu einem ersten Spiel zwischen Aktivem und Passiven. Es ist nicht alles vorher bis ins letzte Detail konkret abgesprochen, wie in TUT-BE-STOPP. Dieses Herantasten und Ausloten ist etwas, dass jeden bei seinem Werdegang ständig begleitet. Es soll hier eine Basis geschaffen werden, durch die im Anschluss das Spiel intensiviert und vertieft werden kann.

Mit dieser Übung sollen die üblichen Abläufe gezeigt werden, die beim Fesseln Teil der Etikette sind. Zum einen handelt es sich hierbei um das Anbieten des Aktiven und Annehmen des Passiven und zum anderen um das Rückführen auf eine neutrale entspannte Position des Passiven, bevor die Situation aufgelöst wird.

II. Durchführung

1. Ausgangsposition

Aktiver und Passiver nehmen in etwa einen halben Meter entfernt, zugewandt und gegenüberstehend die Ausgangsposition ein.

2. Anbieten des Aktiven

Der Aktive bietet seine geöffneten Hände mit der Innenseite nach oben dem Passiven an.

3. Annehmen des Passiven

Der Passive legt seine Hände locker in die Hände des Aktiven.

4. Entstehen des Machtgefälles

Der Aktive bittet den Passiven die Augen zu schließen und der Passive schließt die Augen. Ab diesem Punkt entsteht ein Machtgefälle durch unterschiedliche Informationen.

5. Führen des Passiven

Der Aktive beginnt nun den Passiven zu führen. Sollte der Passive sich zu irgendeinem Punkt unwohl fühlen, öffnet er die Augen und bricht damit die Übung ab. In diesem Fall ist ein reflektierendes Gespräch anzuraten. Die Bewegungen sollen flüssig und nicht hektisch sein. Der Griff der Hände sollte locker bleiben sodass der Passive eher folgt, als gezogen wird. Zu Beginn empfielt es sich beide Hände synchron zu bewegen um ein Gespühr für den Partner zu entwickeln. Sobald dieses Gespühr vorhanden ist kann der Aktive versuchen, nur über die Bewegung der Hände den Oberkörper des Passiven zu steuern. Durch das Öffnen oder Schließen der Arme lassen sich oftmals auch direkte Gefühlsregungen des Passiven erkennen. Die genauen Bewegungen sind den Ausführenden überlassen und sollen so lange durchgeführt werden, wie sich diese wohlfühlen.

6. Rückführen zur Ausgangsposition

Der Aktive führt die Hände des Passiven wieder zur Ausgangsposition zurück und bittet den Passiven die Augen zu öffnen.

7. Entlassen des Passiven

Der Aktive führt die Hände des Passiven an dessen Seite in eine entspannte Position und lässt diese los.

III. Reflexion

Mit den sich immer wiederholenden Zyklus aus Angebot und Annahme baut sich langsam Vertrauen in dem jeweils Anderen auf. Es werden Szenen in einzelne Handlungen geteilt, deren Einwilligung auch während des Spiels erfolgen kann, ohne dass alles im Vornherein bis ins kleinste besprochen werden muss. Das Angebot erfolgt von beiden Seiten. Auch der Passive kann mit seinem Verhalten Wünsche äußern.

Mit der Ausgangsposition, in der sich beide Parteien frontal gegenüberstehen und beide noch vollständige Handlungsfreiheit haben, wird über das Schließen der Augen des Passiven ein emotional intensives Machtgefälle aufgebaut, welches jedoch über sehr intuitive Handlungen, wie ein Zurückzucken, Öffnen der Augen oder Anspannen sofort beendet werden kann.

Die Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Handlungen ausgeführt werden, sind irrelevant in Bezug zur aufgebauten Verbindung. Besonders wenn der Aktive ein zu schnelles Tempo vorgibt, kann der Passive gar nicht schnell genug reagieren um mitzukommen. Der Schwerpunkt beim Fesseln (in unserem Sinne) liegt nicht in der möglichst schnellen Erledigung einer Aufgabe, sondern im Weg den man mit seinem Partner geht.

Gerade wenn die Arme weiter ausgestreckt sind, muss der Aktive mehr Kraft und Kontrolle aufbringen, um eine flüssige Bewegung durchzuführen. Dies zeigt sich später ebenso bei der Seilführung. Hier kann der Passive entgegenkommen, indem der Aktive zwar die Führung übernimmt und der Passive mit seinem Körper mitwirkt, solange die Richtung eindeutig vorgegeben wird.

Würden die Hände des Passiven nach Schritt 5 einfach fallengelassen werden, wäre dieser in einem ungenauen Zustand. Damit würde er aus der Situation des Vertrauens herausgerissen werden. Es gehört zum guten Umgang, den Partner nicht während der Szene einfach fallen zu lassen, sondern ihn immer zu einem sicheren und angenehmen Punkt zurückzuführen.

Im anschließenden Gespräch sollten keine suggestiven Fragen wie „Geht es dir gut?“ gestellt werden. Der Befragte soll in eigenen Worten seine Gedanken wiedergeben, ohne mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ die Antwort vorzeitig beenden zu können. Hilfreich sind offene Fragen, die eine Ausformulierung der Antwort durch das Gegenüber voraussetzen wie „Wie fühlst du dich?“ oder „Was möchtest du jetzt in diesem Moment?“.

IV. Fazit

Bondage ist Prozess bei dem immer wieder in kleinen Schritten neu verhandelt wird. Das Ziel ist nicht möglichst schnell eine Figur zu verwirklichen sondern auf dem Weg dorthin eine für beide bereichernde Zeit zu verbringen. Dies kann nur durch den Einsatz beider Seiten gelingen, die sich in die Situation einbringen müssen.

V. Anregungen zum Experimentiern

  • Der physische Kontakt bestand bei dieser Übung immer zwischen den Händen. Man kann auch versuchen sich nur an den Fingerspitzen zu berühren.
  • Diese Übung muss nicht still auf einem Fleck stehend durchgeführt werden. Experimentiert damit den Partner einzelne Schritte gehen zu lassen und ihn durch den Raum zu führen.

Addendum: Sourcefiles

  • .png – Bilder
  • .blend – Blender File

Versionshistorie

  • 12.02.2022 1.0 Erstveröffentlichung

CC 4.0 BY-SA: TUT-BASE-Stopp 1.0 by Knotenpunkt Nürnberg e.V.

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